Der Fluch der Demenz

Aus eigener Erfahrung als Jagdaufseher kann ich sagen, es ist äusserst schwierig mit Jagdkameraden umzugehen wenn das Thema Demenz die Spielregeln vorgibt.

Demenz
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Die Alten haben das Wissen und die Erfahrung die das Weidwerk ausmacht. Sie beschützen das Brauchtum das an die nächste Generation weitergegeben wird…

Zu schön um wahr zu sein

Der Mensch, so auch der jagende unter ihnen, hat immer eine höhere Lebenserwartung – eigentlich eine schöne Tatsache. Wären da nicht die altersabhängigen Weh-wehwechen…

Beim schreibenden ist es die Arthrose im Knie und die ‘springende’ Sehne just an dem Daumen, den es braucht eine Waffe zu spannen. Im Vergleich zu anderen Erkrankungen die uns beim älter werden begleiten, möchte er aber nicht klagen!

Der Mensch beginnt mit dem Abbau seiner geistigen Fähigkeiten ab etwa dem 40. Lebensjahr. Dies ist ein natürlicher Prozess der meist nicht einmal auffällt – meist!
Einige Menschen sind aber in einer späteren Phase ihres Lebens mehr von diesem Prozess betroffen wie andere. Über die Ursachen streiten sich die Fachleute. Sind es die Gene die dazu führen? Ist es die Umwelt? Die Liste der Gründe die zu Demenz führen ist Lang…

Tatsache ist, es gibt Menschen die stark betroffen sind von diesem Abbau.

Oftmals beginnt er mit einer Art die man noch als ‘schrullig’ umschreiben könnte – doch diese Phase ist meist nur kurz.

Demenz, die schleichende Krankheit

Nach einer Zeit, in der die betroffenen Personen noch als schrullig angesehen werden, beginnt für die nähere Umgebung, das ganze Ausmass der beginnenden Demenz formen anzunehmen. Geschichten zum Beispiel, die sich eigentlich vor langer Zeit abspielten aber nun wie gerade eben erlebt erzählt werden. Angehörige, Geschwister und Freunde die schon verstorben sind werden wieder ‘lebendig’ und man hat eben mit ihnen telefoniert oder sie gar getroffen.

Alls dies sind Anzeichen die ich bei einer nahen Angehörigen die letzten 10, 15 Jahre erlebt habe. Zeichen für die schleichende Übernahme des Gehirns durch die Demenz.

Für nicht jagende Menschen beginnt hier der Weg, der von der Familie begleitet, irgendwann im Pflegeheim endet. Ein leben, besonders für alleinstehende, ist in den eigenen 4 Wänden nicht mehr möglich – die Gefahren die zum Beispiel ein Küchenherd oder eine Kerze darstellen, sind erheblich!

Doch wie geht man als Weidkamerad mit einem Jäger um, der diese Anzeichen der Krankheit aufweist?

Spoiler: Einfach ist es nicht.

Jeder Tag beginnt von Vorne

Der Krux vor dem wir stehen: die Person mit der wir uns befassen hat Demenz! Sie vergisst was man besprochen hat. Wenn man sich das vor Augen hält, begreift man in etwa vor welcher Herausforderung man steht.

Denk daran, das was Du eben getan hast, darfst Du nicht mehr tun!
Ja, klar…

Die Person wird in den nächsten Stunden – oft auch schon Minuten – nicht mehr wissen von was man gesprochen hat! Ich habe diese Situation immer wie das Reset einer Maschine wahrgenommen, alle Einstellungen gehen verloren, wir beginnen beim Anfang.

Was im nicht jagdlichen Umfeld nur an den Kräften des Umfeldes zerrt, wird im jagdlichen Bereich bald einmal zur Gefahr!

Die Behörden sind nicht unbedingt eine Hilfe

Man könnte nun annehmen, bei den Jagdverwaltungen gäbe es Hilfe. Weit gefehlt…

Auch hier stösst man auf Verständnis, konkrete Hilfe ist aber nicht zu erwarten.

Auf eine Art ist es damit zu erklären, dass die Behörden vor dem selben Problem stehen wie das Umfeld des Erkrankten: Was soll man ihm sagen er darf nicht mehr jagen, wenn er es am nächsten Tag nicht mehr weis?

Soll man die Person in ‘Schutzhaft’ nehmen weil sie vergisst? Schwierig und wie ich denke fehlen auch die gesetzlichen Grundlagen.

Schlussendlich ist die Lösung nur in einer Zusammenarbeit mit der Familie zu finden…

Ein Weg zum Erfolg

Nach dem in ‘meinem’ Fall das Gespräch, mit dem von Demenz betroffenen Jagdkameraden immer wieder in Tränen der Enttäuschung und einer Art von Verweigerung geendet haben – Aussagen wie “dann komme ich nie mehr in die Jagdhütte” – musste eine andere Strategie her.

Die Ziele waren klar

  • Kein Blossstellen vor den Kameraden.
  • Keine Teilnahme mehr an jagdlichen Tätigkeiten.
  • Keine Waffen mehr Zuhause.
  • Weiterhin gern gesehen an den Schüsseltrieben und den Hock’s.
  • Verstehen was geschieht.

Diese Ziele zu erreichen war eine nicht so einfache Angelegenheit. Was sich schnell gezeigt hat

die Familie muss miteinbezogen werden

Ich hatte das Glück, dass die Frau unseres Jagdkameraden nicht sonderlich entzückt ist, dass ihr Mann in seinem Alter noch zur Jagd geht! Ebenso ist die Frau geistig noch besser unterwegs. Aus diesem Grund war es relativ schnell eingerichtet, dass unser Kamerad Zuhause immer wieder mit dem Thema in Kontakt war – steter Tropfen höhlt den Stein…

Auch die Schwiegertochter (der Sohn lebt leider seit 30 Jahren nicht mehr) hat gute Arbeit geleistet und unseren Kameraden immer wieder auf das Thema angesprochen…

Nach einigen Wochen zeigten sich die ersten Erfolge!

Unser Jagdkamerad hat dieses Jahr mit sichtlicher Freude an den Schüssltrieben teilgenommen und sich an der Jagdstrecke erfreut. Ein Kamerad von uns hat Ihn nach Beendigung der jagdlichen Aktivitäten Zuhause abgeholt und ihn nach dem Essen wieder Nachhause gebracht.

Das Problem ist ‘vorerst’ gelöst – aber ich habe immer wieder den Satz unseres dementen Kameraden vernommen:

Nächstes Jahr kann ich wieder jagen -oder?

Die Arbeit geht also weiter, wir bleiben alle am Ball…

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