Trittsicher und Schwindelfrei…
Gams-Kitze können ihrer Mutter schon wenige Stunden nach der Geburt in schwieriges Gelände folgen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Gämse überlebte die ungeregelten Jagdverhältnisse im 19. Jahrhundert nur knapp, kleine Restbestände konnten sich in alpinen Rückzugsgebieten halten. Nach Inkrafttreten des neuen Jagdgesetzes im Jahr 1876 konnte sich die Wildart wieder ausbreiten.
In den Voralpen und dem Jura wurde die Gämse jedoch vollständig ausgerottet. Der heutige Bestand geht auf Aussetzungen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zurück (Waldenburg).
Der derzeitige Bestand wird auf rund 95’000 Tiere geschätzt, der jährliche Abschuss beträgt ca. 14’500 Stück.
Steckbrief
Einordnung | Paarhufer > Wiederkäuer > Gehörnträger |
Gewicht | Böcke bis 35kg, Geissen bis 25kg |
Paarungszeit (Brunft oder auch Blattzeit) | November/Dezember |
Tragzeit | ca. 6 Monate |
Setzzeit | Mitte Mai bis Mitte Juni |
Anzahl Junge (Kitze) | 1 |
Säugezeit | ca. 6 Monate |
Gehörn | Beide Geschlechter tragen rund 25cm lange hakig gekrümmte Hörner (Kruken). Bockhörner sind dicker und stärker gekrümmt. Es bilden sich jährliche Zuwachsringe. |
Nahrung | Kräuter, Triebe, Gräser, Blätter von Laubhölzern, Sträuchen und Zwergsträuchern. Nadeln von Nadelbäumen, Flechten |
Äsungstyp | Mischäser |
Natürliche Beutegreifer | Luchs, Wolf, Steinadler (besonders Jungtiere) |
Häufigste Schäden | Verbissschäden. |
Verbreitungsgebiet (CH) | Ganzer Alpen- und Voralpenraum, Jura und kleine Kolonien im Mittelland. |
Jagdsprachliche Bezeichnungen
Erwachsene Tiere | Bock ♂ Geiss ♀ |
Jungtiere | Kitz |
Tiergruppe | Rudel |
Fell | Decke |
Augen | Lichter |
Ohren | Lauscher |
Beine / Füsse | Läufe / Schalen |
Schwanz | Wedel |
Paarungszeit | Brunft |
Geburt | Setzen |
Sinne
Gämse können gut sehen. Besonders Bewegungen nehmen sie schnell war, was wichtig ist, damit sie Feinde rechtzeitig erkennen. Der Geruchssinn der Tiere ist ebenfalls gut ausgeprägt. Er ist wichtig für die soziale Interaktion. Obwohl Gämse sehr gut hören können, ist auf diesen Sinn nicht immer Verlass. Die Tiere lassen sich leicht vom Echo irritieren und laufen dann in die falsche Richtung.
Der Lebensraum
Gämsen sind heute typische Gebirgsbewohner, die ursprünglich jedoch auch in vielen Mittelgebirgen beheimatet waren. Im Sommer besiedeln sie die felsigen Hochlagen, Latschen- und Geröllfelder und Almmatten und sind weniger im Wald anzutreffen. Bei hoher Schneelage ziehen sie sich in die Bergwälder zurück, wo sie noch Nahrung finden können.
Bei Tieren in Wäldern in Tieflage sprechen wir von ‘Waldgämsen’ bei Tieren die mehrheitlich in den Gipfelregionen der Alpen leben, spricht man von ‘Gratgämsen’.
Ein optimales Gämshabitat besteht aus Verzahnungen von felsigem Rückzugbereichen mit Nahrungsreichen Äsungsgebieten und schattigen, möglichst bewaldeten Ruheplätzen.
Gämsen meiden die Sommerhitze und suchen im Wald, in schattigen Wäldern oder auf Schneefeldern nach Abkühlung.
Viele Tiere überwintern steilen Waldgebieten, es gibt aber auch Bestände die oberhalb der Waldgrenze überwintern und dabei auf sonnige, schneearme Hänge und Kuppen zur Nahrungssuche angewiesen sind.
Im Frühjahr werden zu Äsen gerne ausapernde Wiesen aufgesucht. Zum Ruhen wählen Gämsen Sommer wie Winter gerne übersichtliche Orte. Bevorzugte sommerliche Ruheplätze sind kühl, winterliche besonnt und möglichst windfrei.
Das spezielle Leben in Hochlagen
Durch einen ungewöhnlich hohen Anteil roter Blutkörperchen werden ihre Körper auch bei hoher körperlicher Leistung mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Das Besondere sind ihre Herzen: Ein Gamsherz hat ein sehr grosses Volumen und sein Muskel ist wesentlich dicker als bei „Flachlandsportlern“, wie etwa dem Reh. Dadurch übersteht Gamswild wenn nötig bis zu 200 Herzschläge pro Minute.
Verhalten
Gämsen leben ganzjährig gesellig in Rudeln. Geissrudel bestehen aus Muttertieren mit ihre Kitzen, weiblichen Jungtieren und gelegentlich sind auch vereinzelt Jungböcke zu beobachten. Die weiblichen Jungtiere bleiben häufig im Streifgebiet der Mutter, dies führt dazu dass Geissrudel meist aus mütterlich verwandten Tieren bestehen.
Die Einstandsgebiete bleiben oft über Jahrzehnte die selben.
Die Erwachsenen Tiere des Rudels bilden unter sich eine recht stabile Rangordnung. Aus diesem Grund sind Kämpfe selten zu beobachten. Nähert sich eine schwächere Gämse, droht die stärkere durch Senken ihrer Kruken.
Gamsböcke wandern meist im Jährlingsalter vom Geissrudel ab. Junge und mittelalte (2-6 jährige) Böcke bilden Bockrudel. Alte Böcke (ab 7-8 jährig) leben ausserhalb des Brunftzeit meist einzelgängerisch und oft in Waldgebieten (Waldgämsen).
Fortbewegung
Die Gämse ist ein sehr agiler und ausdauernder Kletterer mit einem grossen Sprungvermögen. Dank ihrer spreizbaren Hufe (Schalen) und hartgummiartigen Sohlen können sie im felsigen Gelände bis zu zwei Meter hohe und sechs Meter weite Sprünge absolvieren und in abschüssigem Gelände bis zu 50 km/h schnell sein. Oft stehen sie auf winzigen Felsvorsprüngen. Die ausgeprägt spreizbaren Schalen verhindern auch eine übermässiges einsinken im Schnee.
Trittsiegel
Laute
Gämsen verfügen über ein grosses Repertoire an Gestik und Lautäusserungen.
- „Pfeifen“ als Warnlaut z.B. für die Kitze beim Anflug von Steinadlern
- „Blädern“ der typische Brunftlaut des Bockes beim Annähern an die Geiss
- „Meckern“ als Angst- und Suchlaut
Gehörn
Die Hörner der Gemse – sie werden Krickel oder Kruke genannt – sind wie bei allen Boviden, abgesehen von der äussersten, keratinisierten ( verhornten ) Schicht, lebende Strukturen: Aus den beiden Stirnbeinen wachsen kleine Knochenhöcker, die sich allmählich zu Knochenzapfen heranbilden. Sie nehmen während des ganzen Lebens des Tieres an Länge zu, wobei das Wachstum zuerst sehr schnell, ab sechs Jahren dann sehr langsam voran geht. Die Krickel sind bei alten Böcken zwischen 24 und 29 cm lang.
Ernährung
Die Ernährung der Gämsen ändert im Laufe der Jahreszeit. Im Sommer äsen die Gämsen zum grössten Teil junge Gräser und Kräuter – ähnlich wie ein Konzentrationsselektierers z.B. das Reh. Dank dieser Sommeräsung ist die Gams in der Lage eine überlebenswichtigen Fettvorrat für den Winter anzulegen.
Im Winter passt sich das Verdauungssystem der Gams der qualitativ schlechteren Nahrung an. In dieser Jahreszeit äst sie meist altes Gras, Flechten sowie Nadeln von Nadelbäumen und Zwergsträuchern. Aus diesem Grund zählen wir die Gämsen zum den Mischäsern.
Losung
Fortpflanzung
Die Fortpflanzung findet hauptsächlich im November statt. Die Geissen werden üblicherweise im alter von 2 bis 3 Jahren Geschlechtsreif, die Böcke bereits als Jährlinge. Die Jungböcke bleiben meist durch die Anwesenheit älterer Böcke von der Brunft ausgeschlossen – die alten Platzböcke verteidigen die Geissrudel und sorgen dafür, dass die Brunft für die Geissen ruhig verläuft.
Zum Beginn der Brunft nehmen die die Platzböcke ihre Territorien in Beschlag und verteidigen diese heftig gegenüber ihren Konkurrenten.
Die Konkurrenten werden in wilder Hetzjagd verfolgt und vertrieben.
Den Brunftzustand der Geissen riechen die Böcke an deren Harn. Im idealen Zustand duldet die Geiss nur währen 2-3 Tagen Körperkontakt zu einem Bock, sollte es in dieser Zeit nicht zur Befruchtung reichen wird die Geiss 3 Wochen später nochmals brunftig.
Zum setzten ziehen sich die Geissen an traditionelle Setzeinstände zurück, Kitze aus dem Vorjahr werden vorher aktiv vertrieben. Als Nestflüchter folgen die frisch gesetzten Jungen schon Stunden nach der Geburt der Geiss. Nach etwa einer Woche schliesst sich die Geiss mit dem Jungen wieder dem Rudel an. Der Kontakt zwischen Geiss und Kitz ist in den ersten Monaten sehr intensiv – bei Ruhen zum Beispiel liegen sie stets Körper an Körper.
Geiss und Kitz erkennen sich ähnlich wie das Reh an Geruch und im Fall des Gams am meckernden Ruf.
Bereits nach 14 Tagen naschen die Kitze die ersten Kräuter und schon ab der 5. Lebenswoche stellt das Äsen von Kräutern eine wichtige Nahrungsquelle dar. Ab dem Herbst werden die Jungen nicht mehr gesäugt sind aber trotzdem auf die Führung der Geissen angewiesen – verwaiste Kitze werden vom Rudel verstossen und haben eine sehr geringe Überlebenschache.
Population
Gämsen haben eine sehr geringe Fortpflanzungsleistung im Vergleich zu andern Schalenwildarten. Einbrüche im Bestand – Krankheiten, Nahrungsmangel etc. – werden somit nur sehr langsam ausgeglichen.
Die jährliche Zuwachsrate einer Gamspopulation beträgt nur 10 bis 20%, abhängig von der Härte der Lebensbedingungen. Diese tiefe Zuwachsrate wird jedoch durch eine relativ hohe Lebenserwartung der einzelnen Tiere (Böcke ca. 15 Jahre, Geissen ca. 18 Jahre) und eine lange Fortpflanzungsfähigkeit ausgeglichen.
Kalte, Schnee- und Lawinenreiche Winter sowie Krankheiten wie die Gämsblindheit und Gänsräude fordern hohe Verluste. Grossraubtiere – bei uns besonders der Luchs, können in Waldreichen Gamslebensräumen zu einem regionalen Rückgang der Gamspopulation führen.
Konflikte
Die Nutzung von Alpflächen zu Haltung von Nutzvieh insbesondere Schafen kann zu Problemen im Bereich der Nahrungskonkurrenz führen. Auch das Übertragen von Krankheiten vom Nutzvieh auf die Gämse ist immer wieder zu beobachten! Hier sei besonders die Gamsblindheit erwähnt, eine bakterielle Erkrankung die früher oder später zur Erblindung der Gams führt und ihr somit die Möglichkeit nimmt sich sicher im Gelände zu bewegen.
Die Nutzung der Lebensräume unseres Wildes führt ebenfalls zu Problemen. Bei den Gämsen führt diese Nutzung dazu, dass die Tiere im Winter in den Wald abgedrängt werden und es dort zu Verbissschäden kommt. Es kann sogar soweit kommen das die Gämsen das ganze Gebiet verlassen. Dies führt besonders im Winter zu schwerwiegenden Energieengpässen, welche auch tödlich enden können.
Wildruhezonen können hier ein Weg sein diese Problem zu entschärfen.
Altersbestimmung
Böcke sind massiger und schwerer wie Geissen, spätestens mit 3 Jahren wird beim Bock der Pinsel sichtbar. Geissen und männliche Jungtiere (bis zum 2 1/2 jährigen Bock) senken beim Nässen das Becken. Beim Bock fliesst aufgrund des Pinsels der Harnstrahl nach vorne oder nach unten.
Die Krickel der Böcke sind in der Regel dicker und an der Basis runder als bei den Geissen, sie weisen auch eine stärkere Krümmung – die Hakelung, auf.
Führende Geissen sind praktisch nur durch Beobachtung durch das Spektiv erkennbar, das Gesäuge ist leicht geschwollen und weist die Form einer hohlen Hand auf
Erlegte Tiere können anhand der Jahrringe am Gehörn und bis zum 4. Lebensjahr am Gebiss bestimmt werden.
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